01.09.2023Neue Broschüreüber die Anfänge der Lebenshilfe und den Aufbau der Weserschule.

Catrin Clasen (von links), Einrichtungsleitung der Weserschule, Lebenshilfe-Pressesprecherin Laura Kuhlmann und Autor Eberhard Hasper stellten die neue Broschüre vor.

Broschüre„Lebenshilfe geben, leben und nehmen“

Fast zwei Jahre ist es her, dass Eberhard Hasper sich mit einem persönlichen Anliegen an die staatlich anerkannte Tagesbildungsstätte Weserschule in Hoya gewandt hat. Bei seinen Recherchen für ein Buch fehlten ihm einige Informationen über die Zeit seiner Mutter in der Weserschule. Sie leitete die Einrichtung der Lebenshilfe Syke in den Anfangsjahren. Was aus dieser ersten Anfrage schließlich wurde, kann man heute auf fast 60 Seiten in Heftformat lesen: Die Broschüre „Lebenshilfe geben, leben und nehmen – Hoya machte mobil für die Lebenshilfe“ wurde diesen Sommer von der Lebenshilfe Syke veröffentlicht.

Catrin Clasen (von links), Einrichtungsleitung der Weserschule, Lebenshilfe-Pressesprecherin Laura Kuhlmann und Autor Eberhard Hasper stellten die neue Broschüre vor.

„Als die Anfrage von Eberhard Hasper an mich herangetragen wurde, habe ich gleich an einen Artikel für unsere Mitgliederzeitschrift ‚forum‘ gedacht und ihn gefragt, ob er bereit wäre etwas für uns zu verfassen“, schmunzelt Laura Kuhlmann, Beauftragte für Öffentlichkeitsarbeit bei der Lebenshilfe Syke. „Dass etwas so Großes daraus wird, habe ich nicht geahnt.“ Eberhard Hasper schickte einen knapp 40-seitigen Artikel. „Der Text war authentisch geschrieben, gut lesbar und er hat mich schon beim ersten Lesen emotional sehr berührt, daher wollten wir mehr daraus machen“, berichtet Kuhlmann. Mehr heißt in diesem Fall: Die Entwicklung der Lebenshilfe, und auch das Leben der Betroffenen vor der Zeit der Lebenshilfe, möglichst vielen Menschen zugänglich zu machen.

So kam es zur Zusammenarbeit von Eberhard Hasper und der Lebenshilfe Syke. Der Artikel wurde durch weitere Informationen ergänzt, für eine Lebenshilfe-Broschüre etwas neu strukturiert und schließlich mit zahlreichen passenden Fotos ergänzt, die größtenteils aus dem Privatarchiv des Autors stammen. „Für uns ist diese Zusammenarbeit sehr wertvoll, denn wir haben innerhalb der Lebenshilfe Syke kein gut strukturiertes Archiv und keine vollständige Chronik. Leider wurde aus der Anfangszeit unserer Organisation nicht alles genau festgehalten und aufgezeichnet“, erzählt Kuhlmann.

Eberhard Hasper hat sich bei seinen Recherchen gefragt, was seine Mutter eigentlich genau in Hoya gemacht hat. „Ich wollte wissen, wie sie dazu gekommen ist und habe daraufhin den Kontakt zur Lebenshilfe gesucht. Nachdem diese ihr Interesse an der Geschichte bekundet hat, habe ich angefangen Interviews zu führen mit Menschen, die meine Mutter kannten und damals alles miterlebt haben.“ So ist nicht nur Margret Hasper Protagonistin der Broschüre, sondern auch Swen und Friederike. Beide zählen zu den ersten Lebenshilfe-Kindern in Hoya. Und auch ihre Mütter erinnern sich noch heute gut, unter welchen schweren Bedingungen sie damals für die Betreuung und Förderung ihrer Kinder gekämpft haben.

Die Bewegung der Lebenshilfe startete im Jahr 1958 mit der Gründung der Bundesvereinigung. Nach und nach entstanden die Landes- und Kreisverbände in ganz Deutschland, so auch die Lebenshilfe in Syke, damals noch „Lebenshilfe für das geistig behinderte Kind, Kreisvereinigung Grafschaft Hoya e. V.“. Ziel war von Beginn an die Inklusion und Teilhabe von Menschen mit Beeinträchtigungen. Bis dato gab es so gut wie keine Betreuungs- und Förderangebote, es gab auch kaum ausgebildete Fachkräfte im Bereich der Behindertenhilfe. Die Betroffenen wurden zu Hause gelassen, in einigen Fällen sogar aus Scham vor der Gesellschaft versteckt oder kamen in (Irren-)Anstalten. Auch dies schildert Eberhard Hasper auf eindrückliche Weise. „Ich wollte die Erlebnisse von Swen, Friederike und meiner Mutter genauso aufschreiben, wie es damals war“, erzählt er.

So zeigt die Broschüre das bewegte Leben dreier Menschen und ihrer Familien vor dem Start und während der ersten Jahre der Lebenshilfe, insbesondere aber das einer ungewöhnlich engagierten Frau und starken Persönlichkeit. Margret Hasper, geboren im Jahr 1921, erlebt den zweiten Weltkrieg und die schwierigen Nachkriegsjahre. Sie kommt vom Land, aus dem kleinen Dorf Duddenhausen bei Hoya. „Von einer Landfrau mauserte sie sich mit ihrer Willensstärke zur pädagogischen Lehrkraft – kein Leichtes in einer Zeit, in der Männer noch über die beruflichen Tätigkeiten ihrer Frauen bestimmen konnten“, erzählt Hasper über seine Mutter.

Margret Hasper war von 1971 bis 1981 Einrichtungsleitung der Weserschule in Hoya. In den ersten drei Jahren befand sich die Einrichtung noch in der Alten Schule in Bücken – eher ein Provisorium. Sie startete dort mit acht Kindern ganz unterschiedlichen Alters und einem kleinen, motivierten Team. Bereits im ersten Jahr zeigte sich ein enormer Bedarf an Betreuungsplätzen für Kinder mit Behinderungen, schnell waren es 26 und die Warteliste wurde lang und länger. Im Jahr 1974 entstand also ein Neubau am Sonnenweg, dem heutigen Standort der Weserschule, mit Platz für bis zu 50 Kinder und Jugendliche. Dieser wurde maßgeblich von Margret Hasper mitgeplant und geprägt. „Auf ihrem Vermächtnis fußt unsere neue, moderne Pädagogik für Schüler mit dem Schwerpunkt Geistige Entwicklung“, so die heutige Leitung der Weserschule, Catrin Clasen. „In kleinen Klassen mit jeweils acht Schülern, fördern wir hier jeden Einzelnen nach seinen ganz individuellen Fähigkeiten und Bedürfnissen.“

Doch die Broschüre zeigt auch, es ging nicht immer bergauf für die beiden Kinder mit Beeinträchtigung und für die taffe Frau aus Duddenhausen. Sie verschweigt weder ihre persönlichen Schicksalsschläge noch ihre Erfolge in beeindruckender Weise in großer Offenheit und mit viel Empathie.

„Die Broschüre ist ein wertvolles Zeitdokument für die gesellschaftlichen Umstände Mitte des letzten Jahrhunderts, sie zeigt eindrucksvoll, wie sich die Gesellschaft weiterentwickelt hat“, so Laura Kuhlmann. „Sie ist dabei nicht nur ein wichtiger Beitrag für die Entstehungsgeschichte und Chronik der Lebenshilfe Syke, sondern auch ein wirkungsvolles Instrument für die Öffentlichkeitsarbeit. Wir erhoffen uns, dass die Broschüre auf großes Interesse bei Menschen jeder Altersgruppe stoßen wird.“ So wurden bereits Muster an Verbände und Schulen in der Region verschickt. Außerdem hat der Autor viele Broschüren persönlich verteilt und zu Spenden für die soziale Organisation aufgerufen.

Die Broschüre stellt die Lebenshilfe Syke kostenlos zur Verfügung, da der Druck über eine Förderung der Stiftung Lebenshilfe Syke finanziert werden konnte. Über Spenden für Projekte der Stiftung sowie einen möglichen Nachdruck der Broschüre würde sich die Lebenshilfe jedoch sehr freuen, da die Broschüre insbesondere auch jungen Menschen als Motivation für ihren Weg in die wertvollen sozialen Berufe dienen soll.

Wer Interesse an einer Broschüre hat, erhält diese in der Geschäftsstelle der Lebenshilfe Syke (Hauptstraße 5, 28857 Syke). Gerne können sich Interessenten auch per E-Mail an verwaltung@lebenshilfe-syke.de oder telefonisch unter 04242 / 9229-0 melden, dann wird die Broschüre per Post zugesandt.

Das Buch

Neben diesem Projekt hat Eberhard Hasper auch sein Buch fertiggestellt. „Dorothea und Lewine – Das (un)gewöhnliche Leben zweier Frauen aus Hoya“ erzählt die authentische und persönliche Geschichte seiner Mutter und seiner Tante. Vom Buchpreis spendet Hasper jeweils 1 Euro an die Lebenshilfe Syke. Am Mittwoch, 20. September um 19 Uhr findet eine Lesung zum Buch in der Weserschule in Hoya statt. Darüber hinaus gibt es eine Lesung in der Erlenschule in Syke im Oktober, der genaue Termin folgt.